Es geht weiter mit meiner Workaway-Reise: Dieses Mal durfte ich bei einer kleinen Gastfamilie im Herzen Hamburgs wohnen und mir über rund zwei Wochen einen Alltag in der Großstadt aufbauen. Was ich gelernt habe? Selbstbewusst auf neue Leute zuzugehen – und nicht darauf zu warten, dass das Glück zu mir kommt.

Als ich in Hamburg Altona ankam, war es schon dunkel. Gröhlende Leute zogen durch die Straßen, mehrere Polizeiwagen fuhren im Einsatz an mir vorbei und sämtliche Blicke von Obdachlosen verfolgten mich durch die Straßen. Ehrlich gesagt war ich nicht allzu begeistert, zu dieser Uhrzeit orientierungslos und beladen mit einem riesigen Rucksack durch die Gegend zu stolpern.

Google Maps sei Dank fand ich mein Ziel jedoch relativ schnell und wurde herzlich von meinem Host in Empfang genommen. Sie gab mir eine kleine Führung durch den Gemeinschaftsraum des Gebäudekomplexes und ihr kleines aber niedliches Apartment. Wenig später bezog ich dann mein eigenes Schlafzimmer direkt unter dem Dach, es lag abseits ihrer Wohnung aber bot dafür einen wunderschönen Ausblick. Wäre dieser Raum mit einem Wasserkocher ausgestattet gewesen, ich hätte mich jeden Tag nach dem Aufstehen auf die Terrasse gesetzt und mit einer Tasse Kaffee die Morgendämmerung genossen.

Die tägliche Arbeit bestand darin, meinen Host im Haushalt und im Büro zu unterstützen. Ich putzte, schrieb E-Mails, brachte die Fahrräder zur Werkstatt, ging einkaufen und erstellte ein halbes Dutzend Excel-Tabellen zur Strukturierung bürokratischer Angelegenheiten, für die meinem Host oft die Zeit fehlte. Bis halb zwei zogen wir durch, danach hatte ich den Nachmittag für mich.

Schnell Wurzeln schlagen – aber wie?

Ich dachte: Oh hey, jetzt bin ich in einer Stadt voller unterschiedlicher Menschen – da ist es sicher einfach, neue Leute kennenzulernen! Dass sich dieses Erwartungsbild anfangs in keinster Weise bestätigte, entmutigte mich ein wenig und lag mit Sicherheit auch daran, dass ich selbst oft nicht die Initiative ergriff und andere Leute ansprach.

Als halbwegs introvertierte Person fehlte mir zu Beginn der Mut, um über meinen Schatten zu springen. Was also tun, um sich trotzdem mit anderen Leuten zu connecten? Glücklicherweise schlug mir mein Host viele coole Aktivitäten vor, die ich in meiner Freizeit unternehmen konnte. So kam ich beispielsweise zum Yoga. Sie empfahl mir das Angebot von drei Probestunden für 15 Euro und ich liebte es. Falls du mal in Hamburg bist, gönn dir einen Yogakurs bei Ardas – man wird mit Tee und flauschigem Fußboden begrüßt und kann sich während der Übungen durch konkrete Atemtechniken wirklich entspannen.

Wenn du dich – wie ich – auch mal neu in einer Stadt zurecht finden musst, habe ich hier noch ein paar weitere Tipps:

  • Nimm dir Zeit für eine Stadtführung. Das mag zwar typisch nach Touri klingen, ist aber super hilfreich, um sich einen Überblick zu verschaffen und die Stadt besser zu verstehen. Für meine Tour musste ich nicht mal etwas bezahlen und erfuhr trotzdem eine ganze Menge von meinem Guide.
  • Soziale Medien! Wozu leben wir in einer vernetzten Welt, wenn wir uns darüber nicht auch persönlich kennenlernen können? Beispielsweise habe ich andere Workawayer in meiner Umgebung angeschrieben und mich mit einem Mädchen getroffen, das ebenso wie ich noch relativ am Anfang ihrer Reise steht. Wir tranken zusammen Kaffee, gingen spazieren und kauften uns etwas im Humana. Natürlich weiß man vorher nie, ob es wirklich harmoniert – aber einen Versuch ist es definitiv wert!
  • in der Regel gibt es in jeder größeren Stadt ein Kulturzentrum oder ein Kornhaus. Hier kann man an Workshops, offenen Gesprächsrunden, sowie Infoveranstaltungen teilnehmen und dadurch mit Leuten in Kontakt kommen, die ähnliche Interessen verfolgen wie man selbst. So bin ich beispielsweise zu einer politischen Diskussion gegangen, nachdem ich auf der Straße von einem Mitglied der Organisation Offensiv angesprochen wurde. Thema der Runde war „Ethischer Konsum, Verzicht und individueller Boykott“. Auch wenn ich nicht alle Denkansätze der jungen Kommunisten genau so sehe, hat es total Spaß gemacht, bei diesem Gespräch dabeizusein. Danach sind wir sogar noch zu siebt in eine kleine Bar gegangen – es war ein wunderschöner Abend!

Großstadtleben – ja oder nein?

Nach meiner Erfahrung auf der kleinen dänischen Farm habe ich mich bewusst dazu entschieden, mir einen Host zu suchen, der in einer größeren Stadt ansässig ist. Wenn du meinen letzten Beitrag gelesen hast, weißt du, dass ich mich ohne Gesellschaft schnell einsam fühle – da war es für mich genau richtig, immer und überall von anderen Menschen umgeben zu sein. Es gab keinen einzigen Tag, an dem ich nichts mit mir anzufangen wusste.

In Hamburg gibt es immer etwas Neues zu sehen und die Diversität der dort lebenden Menschen ist enorm. Besonders das etwas alternative Karolinenviertel war für mich ein spannender Ort, denn hier leben die Leute ihre Kunst. Überall sind die Hauswände zugepflastert mit Graffitti, Plakaten, politischen Statements und skurrilen Formen.

Als Workawayerin mit begrenzten finanziellen Mitteln muss ich aber fairerweise auch sagen, dass es eher Fluch als Segen ist, sich zu jeder Zeit alles kaufen zu können was man möchte. Ich habe in den letzten anderthalb Wochen viel zu viel Geld für Essen und Kaffee ausgegeben und muss den Geldhahn nun erst einmal wieder zudrehen.

In einer Großstadt wie Hamburg wird Konsum also groß geschrieben – umso inspirierender fand ich es, wie mein Host sich immer bemühte, überall zu sparen. Vom Wasser in der Spüle bishin zur abfallreifen Zitrone: Für nahezu alles fand sie eine zweite Verwendung. Ich konnte einiges von ihr lernen und erfuhr bei dem ein oder anderen Kaffeelikör in ihrer Lieblingsbar viele spannende Anekdoten aus ihrer Vergangenheit.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass Hamburg eine wunderschöne Stadt mit freundlichen Menschen und einer vielseitigen Historie ist. Durch meinen Aufenthalt habe ich den Mut gefunden, fremden Menschen offener und unvoreingenommener zu begegnen, sowie mein eigenes Selbstbewusstsein zu stärken. Wenn die Wohnungssuche dort nicht so aussichtslos wäre, würde ich sogar gern hier studieren.

… und wie geht es jetzt weiter?

Das ist wohl zweifellos die Frage, welche ich mir seit September am häufigsten stelle. Alle paar Wochen schreibe ich neue Hosts an, in der Hoffnung irgendwo zu landen, wo es cool ist. Das mag zwar ziemlich anstrengend sein – aber noch viel störender ist die stetig steigende Zahl an Corona-Infektionen und die damit einhergehende Erklärung von Risikogebieten innerhalb Deutschlands. Bis Ende Oktober versuche ich nun, einen neuen Host in meiner Nähe zu finden und kümmere mich in der Zwischenzeit um ein paar Angelegenheiten daheim.

Was als Nächstes kommt, weiß ich zwar jetzt noch nicht – aber ich freue mich drauf 🙂

Unterwegs in Hamburg

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