Anlässlich des Jahreswechsels vor wenigen Tagen gab es überall in den Medien Jahresrückblicke. Alles, was im Jahr 2020 passiert ist, wurde nochmal durchgekaut: Die negativen, wie auch positiven Momente der letzten zwölf Monate. Aber wie steht es eigentlich mit einem Rückblick der letzten paar tausend Jahre? Über alles, was durch Menschenhand irgendwie schief gelaufen ist? Auf die Idee ist wohl noch niemand so richtig gekommen – mit Ausnahme von Tom Phillips, einem britischen Journalisten, der sich dieser Aufgabe annahm und das Buch Humans – A Brief History of How We F*cked It All Up (dt.: Eine kurze Geschichte darüber, wie wir alles verkackt haben) verfasste.

Inhalt

Man könnte meinen, 304 Seiten über das menschliche Versagen im Zeitrahmen unserer Existenz könnte unter Umständen etwas … deprimierend sein. Das wäre es wahrscheinlich auch tatsächlich, wenn Phillips das Buch nicht mit einer kräftigen Portion Humor geschrieben hätte. In Humans – A Brief History of How We F*cked It All Up werden sämtliche auf realen Ereignissen beruhende Geschichten auf ironische, aber seriöse Weise dargelegt und in geschichtlichen Kontext gebracht.

Die einzelnen Erzählungen drehen sich dabei um die Hauptthemen Umwelt, Regierung, Krieg, Kolonialismus und Technologie. Wer da zuerst wahlweise an die beiden Weltkriege, die Nuklearkatastrophe in Fokushima oder Terroranschläge wie Nine Eleven denkt, wird überrascht sein – denn Phillips überzeugt mit seinem Werk nicht nur durch Witz, sondern auch mit teilweise relativ unbekannten historischen Ereignissen, die sich jedoch rasend schnell zu echten Katastrophen entwickelt haben.

So geht es im Kapitel „Life, Uh, Finds a Way“ unter anderem um einen aus England stammenden Mann namens Thomas Austin, der bei seiner Auswanderung nach Australien im Jahr 1859 einige auf britischem Boden heimische Tierarten in seine neue Heimat importierte. Dabei waren nicht nur Rebhühner und Fasane, sondern auch 24 englische Kaninchen, die sich laut Austin nur wenige Jahre nach seinem Umzug zu tausenden vermehrt hatten. Das ganze nahm so sehr Überhand, dass Ende des 19. Jahrhunderts im Bundesstaat Victoria jährlich zwei Millionen Kaninchen getötet wurden bei dem Versuch, die immer weiter wachsende Kaninchen-Population irgendwie einzudämmen. In den 1920iger Jahren erreichte die Plage ihren Höhepunkt mit rund 10 Milliarden Kaninchen in ganz Australien – und das alles nur, weil eine einzige Person nicht über mögliche Folgen ihres Handels nachgedacht hat.

Ganze Ökosysteme wurden ins Chaos gestürzt, denn die Kaninchen beeinflussten die australische Vegetation massiv. Nachdem zahlreiche Lösungsansätze der Regierung (erschießen, Zäune errichten, Fallen aufstellen) langfristig fehlschlugen, entschlossen sich einige Wissenschaftler dazu, an einem speziellen Hämorrhagie-Virus zu forschen, der die Kaninchen-Plage ein für alle mal bekämpfen sollte. Tatsächlich zeigte diese Methode eindeutigen Erfolg und viele bedrohte Pflanzen-, sowie Tierarten konnten sich in den folgenden zwanzig Jahren wieder regenerieren.

Ein weiteres Beispiel: In einem anderen Kapitel („War. Huh. What Is It Good For?“) wird die Rolle des Alkohols in einer Reihe von Kriegen beschrieben. So machten sich österreichische Truppen im Jahr 1788 auf den Weg zu einer Schlacht gegen das Osmanische Reich und passierten dabei eine Stadt im heutigen Rumänien, wo sie bereits Ausschau nach ihren türkischen Gegnern hielten. Im Laufe des Abends kam es jedoch zu dem ein oder anderen Glas Brandy und im Eifer des Geschehens feuerte jemand einen Schuss ab, während gleichzeitig gerufen wurde, die Türken seien da (was wohlbemerkt ein falscher Alarm war).

In einer aufkommenden Welle von Panik, Betrunkenheit und Verwirrtheit trafen zwei der österreichischen Truppen bei ihrem Lager aufeinander und hielten sich gegenseitig für den angeblich aufgetauchten Gegner. Als die türkischen Truppen am folgenden Tag tatsächlich erschienen, fanden sie bereits ein Schlachtfeld mit vielen Verletzten und sogar einigen toten österreichischen Soldaten vor.

Zum Ende des Buches spekuliert Phillips darüber, wie sich der Mensch in der Zukunft verändern wird oder auch nicht, ob sich unsere Fehler wiederholen werden und was passieren könnte, wenn wir uns weiterhin so verhalten wie bisher. Dadurch bekommt das Buch schon fast einen appellierenden Charakter und regt den Leser dazu an, über sein eigenes Verhalten nachzudenken.

Kritik

So unterhaltsam ich das Buch fand, hat es mich doch gleichzeitig auch mit einer riesigen Welle an Daten, Orts- und Personennamen überschwemmt. Es ist schier unmöglich, sich an alle erzählten Geschichten und Anekdoten zu erinnern, weil sie teilweise nur beiläufig erwähnt werden und im Großen und Ganzen in dem mengenschweren Inhalt untergehen. Zwar lässt die Genauigkeit der Fakten auf eine sorgfältige Recherche des Autors schließen, doch in meinen Augen wäre weniger an dieser Stelle mehr gewesen. Deshalb kann ich nur empfehlen, das Buch häppchenweise zu lesen – so ist es möglich, sich jedes Mal wieder an der Skurrilität der Geschichten zu erfreuen und man läuft nicht Gefahr, etwas Interessantes zu überlesen.

Allerdings gelingt es Phillips in seinem Werk einwandfrei, das Grundwesen des Menschen anhand seiner vielseitigen Erzählungen zu analysieren. Wie kommt es, dass wir noch immer Kriege führen, obwohl wir uns doch im Klaren darüber sind, wie viel Schaden wir dadurch anrichten? Und was haben wir eigentlich aus den Misserfolgen der Menschheitsgeschichte gelernt? Das Buch bringt den Leser zwar hier und da zum Schmunzeln, macht jedoch gleichzeitig keinen Hehl aus dem Ernst der menschlichen Vergehen, die nicht selten vielen Unschuldigen das Leben kosteten.

Ein anderer Punkt, der aber nichts mit dem Inhalt zu tun hat: Humans – A Brief History of How We F*cked It All Up gibt es derzeit nur auf Englisch. Bei mir haben sich an der ein oder anderen Stelle Verständnisprobleme aufgetan, da ich einige Wörter nicht kannte und mir deshalb auch teils den Sinn ganzer Sätze nicht zu hundert Prozent erschließen konnte. Da das Buch aber einigermaßen neu ist (Veröffentlichung 2019), besteht noch Hoffnung auf eine deutsche Übersetzung.

Fazit

Humans – A Brief History of How We F*cked It All Up von Tom Phillips ist eines der Bücher, welches den Leser auf vielen Ebenen begeistert. So ist man sowohl beeindruckt von der Vielseitigkeit der themenbezogenen Geschichten, nimmt die anthropologischen Denkansätze des Autors mit dem verdienten Ernst zur Kenntnis und schafft es gleichzeitig, über die eigentlich traurigen Vergehen der Menschheit zu lachen.

Dabei geht es nicht darum, die großartigen Errungenschaften des Menschen durch den Dreck zu ziehen und alles schlecht zu machen. Vielmehr wird hier eine Facette unserer Existenz beleuchtet, die sonst vielleicht ein bisschen zu kurz kommt – was uns zeigt, dass unsereins keinesfalls unfehlbar ist. Sehr erfrischend!

Humans – A Brief History of How We F*cked It All Upkostet im Taschenbuchformat ca. 9,50 Euro und ist online, sowie vereinzelt in Buchfilialen erhältlich.

Der Mensch: Eine gescheit(ert)e Spezies?

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